Glasfasernetz: Kommunale TK-Unternehmen kritisieren strategischen Überbau

Der flächendeckende Glasfaserausbau bis 2030 ist erklärtes Ziel der Bundesregierung. Doch dieses scheint durch die Praxis des strategischen Überbaus in die Ferne zu rücken, bei der manche Gebiete doppelt und sogar noch häufiger, andere jedoch gar nicht ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Diese Überbau-Praxis hatten Branchenverbände zuletzt in einem Brandbrief an Bundesminister Volker Wissing kritisiert.

Wie groß das Problem für den flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze ist, zeigt eine Branchen-Umfrage* des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) unter seinen Mitgliedsunternehmen: Aktuell drohe mehr als 60 Prozent der kommunalen Telekommunikationsunternehmen (TK-Unternehmen) ein Überbau ihrer Glasfasernetze durch Wettbewerber beziehungsweise sei ein solcher Überbau bereits erfolgt. Ausgerechnet die Telekom überbaue häufig. Postleitzahlangaben zeigten, dass es sich um ein bundesweites Problem in Deutschland handele, hieß es gestern in einer Pressemeldung des VKU.

„Das ist ein Weckruf an die Bundesregierung. Sie muss handeln, damit sich die digitale Spaltung nicht weiter vertieft: Sollte ein Verbot schädlichen Überbaus nicht in Betracht kommen, sollte der Bund als Anteilseigner der Telekom sein Mitspracherecht nutzen, um strategischen Überbau zu verhindern. Überbau gefährdet doch nicht nur den Business Case der Wettbewerber, sondern auch das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 in Deutschland flächendeckend Glasfaser auszubauen“, wird VKU-Chef Ingbert Liebing in der Pressemeldung zitiert.

Open Access versus strategisch motivierten Überbau

Nach VKU-Angaben hätten 65 Prozent der TK-Unternehmen in der Umfrage angegeben, dass der Überbau sich in der Bauphase des eigenen Glasfasernetzes abzeichne beziehungsweise der Überbau genau dann erfolge. Überbau finde insofern vor allem in der frühen Phase statt. Je weiter der Netzausbau bereits fortgeschritten sei, desto seltener werde überbaut. Liebing: „Offenkundig ist Überbau strategisch motiviert. Diese Gefahr schwebt wie ein Damoklesschwert über jedem neuen Ausbauvorhaben und ist eine Drohung: Wer gräbt, verliert. Das hemmt die Bereitschaft, zu investieren – von einer desaströsen Fehlallokation begrenzter Ressourcen in einer Volkswirtschaft, wie Tiefbaukapazitäten und Fachkräften, mal abgesehen. Unterm Strich bremst strategischer Überbau den flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze.“

Wie es von Seiten des VKU gestern weiter hieß, erfolge der strategische Überbau, obwohl insgesamt 69 Prozent der befragten Unternehmen Open Access auf ihrem überbauten beziehungsweise von Überbau bedrohten Netz anbieten beziehungsweise dies planen. Dabei können Wettbewerber sich gegen ein Entgelt auf das vorhandene Glasfasernetz eines Betreibers schalten. Insgesamt böten 89 Prozent der kommunalen Unternehmen laut VKU bereits Open Access auf ihren Netzen an beziehungsweise planten dies. Vor zwei Jahren seien es noch 79 Prozent gewesen. „Open Access hat längst den Siegeszug angetreten. Technisch gibt es also keinen Grund, ein eigenes Netz dorthin zu bauen, wo andere bereits ein Glasfasernetz zur Verfügung stellen. Sinnvoller wäre es, all die Kapazitäten und Ressourcen in die Gebiete zu lenken, die noch immer auf ihren Anschluss ans schnelle Internet warten“, so Liebing.

Telekom betont partnerschaftliches Engagement

In einem Blog-Beitrag vom 19. Mai 2023 unterstrich die Telekom ihrerseits, dass ein landesweiter Ausbau des Glasfasernetzes von keinem allein gestemmt werden könne und eine Gemeinschaftsaufgabe sei. Die Telekom setze daher verstärkt auf Kooperationen mit lokalen Anbietern und erhöhe deren Anteil am Glasfaserausbau kontinuierlich. Ein Beispiel seien die Stadtwerke Münster, mit denen man bereits seit 2020 partnerschaftlich zusammenarbeite. Und Wettbewerb im Glasfasermarkt sei auch in anderen Ländern üblich, wird Patrick Helmes vom Telekom-Partner Glasfaser Ruhr im Blog-Beitrag zitiert. Wenn mehrere Glasfaser-Anschlüsse im Haus vorhanden seien, unterscheide sich der Wettbewerb auf der Qualitätsebene letztendlich beim Kunden.

* Die Branchenumfrage hatte der VKU nach eigenen Angaben an 244 CEOs von kommunalen Telekommunikationsunternehmen im Verband gerichtet und eine hohe Rücklaufquote von 66 Teilnehmern (27 Prozent) erhalten.

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