Mieterstrom: Pro und Contra zum Gesetzentwurf

Das Bundeskabinett hat am 26. April 2017 den vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) vorgelegten Gesetzentwurf (Download hier) zur Förderung von Mieterstrom beschlossen. Ziel ist es, auch Mieter direkt an der Energiewende zu beteiligen. Bisher hätten vor allem Eigenheimbesitzer die Möglichkeit, von Strom aus Photovoltaik-Anlagen vom Hausdach zu profitieren. Da sich die Lieferung von Strom, der in einem Blockheizkraftwerk oder in einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach eines Wohngebäudes erzeugt und an Letztverbraucher (insbesondere Mieter) in diesem Wohngebäude geliefert werde, für die meisten Vermieter nicht rechne, soll ein Mieterstromzuschlag eingeführt werden. Das Potenzial für Mieterstrom beziffert das BMWi unter Berufung auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten auf bis zu 3,8 Millionen Wohnungen. Das Gesetz solle noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden, heißt es von Seiten des Ministeriums.

Schon im Vorfeld hatte der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) Mieterstrom als wichtigen Baustein der Energiewende eingestuft. Allerdings sah man im Referentenentwurf Ende März noch Änderungsbedarf, etwa um Mieterstrommodelle auch in Wohnkomplexen zu ermöglichen sowie bei den wettbewerblichen Rahmenbedingungen wie etwa den Vertragsmodellen oder beim Messstellenbetrieb. Außerdem lege der bne Wert darauf, klarzustellen, dass beispielsweise auch das Beladen von Elektroautos etwa über eine Wallbox über das Mieterstrommodell möglich sei.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSWSolar) begrüßte seinerseits den Kabinettsbeschluss und sah sich in der Hoffnung bestärkt, dass noch in dieser Legislaturperiode wichtige Hemmnisse für solare Mieterstromangebote fallen. Das Gesetz sei notwendig, weil solare Mieterstromangebote heute noch mit der vollen EEG-Umlage belastet würden, während im Eigenheim für den selbst genutzten Solarstrom keine EEG-Umlage anfalle. Viele Stadtwerke und Wohnungsunternehmen dürften dann bereit sein, bislang weitgehend ungenutzte Dachflächen der Innenstädte solartechnisch zu erschließen und attraktive Mieterstromtarife anzubieten, so der BSWSolar.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) wies in einem Statement darauf hin, dass viele Stadtwerke bereits Mieterstrommodelle in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft umsetzen. Die Potenziale für den Ausbau der erneuerbaren Energien auf Dächern von Mietshäusern seien aber längst noch nicht ausgeschöpft. Der VKU unterstütze daher den Entwurf im Grundsatz. Allerdings werfe die geplante Mieterstromförderung Fragen der Finanzierungsgerechtigkeit auf, die in einem größeren Zusammenhang betrachtet werden müssten. Hierfür müsse das Umlagen- und Entgeltsystem grundlegend überarbeitet werden, um in Zukunft eine faire Lastenverteilung sicherzustellen, so der VKU. Das Mieterstromgesetz dürfe zudem nicht dazu führen, dass Unternehmen der Wohnungswirtschaft gegenüber Energieversorgungsunternehmen bevorzugt werden. Energie- und Wohnungswirtschaft müssten auch künftig, etwa im Hinblick auf die energiewirtschaftlichen Lieferantenpflichten, gleichbehandelt werden. Zu diesen Pflichten gehörten unter anderem die Prozesse zur elektronischen Marktkommunikation, das Wechselmanagement sowie die Abrechnung von Netznutzungsentgelten, Umlagen, Abgaben, hieß es von Seiten des VKU.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betonte seinerseits die Notwendigkeit einer klugen Ausgestaltung des Mieterstrommodells, damit dies nicht zu einer Umverteilung der Lasten und zu sozialer Ungerechtigkeit führe. Nach den Worten von Stefan Kapferer, dem Vorsitzenden der BDEW-Hauptgeschäftsführung, würde der aktuell diskutierte Gesetzentwurf aber genau das bewirken. Der Verband hatte die Auswirkungen des vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Mieterstrommodells auf die Höhe der Netzentgelte berechnen lassen. Das Resultat: Vor allem in Städten mit einer hohen Anzahl geeigneter Mietwohngebäude sowie Regionen mit verhältnismäßig hohen Netzentgelten wäre mit einem deutlichen Anstieg der Netzentgelte zu rechnen. Denn angesichts der Einsparmöglichkeiten bei Netzentgelten und den weiter geplanten Befreiungen von Konzessionsabgaben, Stromsteuern und KWKG-Umlage wäre das Mieterstrommodell dort besonders attraktiv, so der Verband.

Würden beispielsweise in Berlin 20 Prozent der geeigneten Mietwohngebäude das Mieterstrommodell nutzen, könnte das zu einem Anstieg des Netzentgelt-Grundpreises um über 13 Prozent führen. Der Netzentgelt-Arbeitspreis könnte um neun Prozent steigen. In Hamburg und Schwerin wäre in diesem Szenario ein etwas moderaterer Anstieg der Netzentgelte zu erwarten: In Hamburg könnte der Grundpreis um über neun Prozent und der Arbeitspreis um über sechs Prozent steigen. In Schwerin könnte der Preisanstieg bei jeweils etwa elf Prozent liegen. Bei einer höheren Marktdurchdringung oder einem Anstieg der Netzentgelte infolge des Netzausbaus würden die Umverteilungseffekte deutlich höher ausfallen, rechnet der BDEW vor.

„Die Mehrheit der deutschen Mieter würde vom aktuell geplanten Mieterstrommodell nicht profitieren. Im Gegenteil: Sie würden es über Mehrbelastungen beim Strompreis finanzieren. Das Resultat wäre eine erhebliche Umverteilung zwischen den Mietergruppen. Das Ziel ‚Akzeptanzsteigerung‘ wird die Politik mit diesem Konzept beim Gros der Bevölkerung gewiss nicht erreichen. Ganz abgesehen davon, dass es sich nicht in eine konsistente Energiepolitik eingliedert“, so Kapferer.

Damit ein größerer Anteil der Mieter von der Energiewende profitieren könne, hat der BDEW laut Pressemitteilung vom 26. April 2017 eigene Vorschläge entwickelt: Der Bau von Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Mietwohngebäuden sollte ausschließlich über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden. Das ließe sich über Ausschreibungen im vereinfachten Verfahren organisieren. Da die Kosten des EEG bundesweit auf alle Verbraucher umgelegt werden, wäre diese Herangehensweise kosteneffizient und sozial gerecht. Soll der Strom aus der PV-Dachanlage direkt an den Mieter geliefert werden, könnte dies per Direktvermarktung im EEG ohne Zusatzkosten erreicht werden. Hierbei könnten auch die im EEG 2017 eingeführten regionalen Herkunftsnachweise ausgestellt werden, heißt es von Seiten des BDEW.

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