DIHK: Jeder zweite Betrieb muss noch Strom- und Gasverträge abschließen

Der russische Angriff auf die Ukraine hat zu einer weiteren Explosion der Strom- und Gaspreise geführt. Nach einer aktuellen Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) stellt das immer mehr Unternehmen vor ein Dilemma: Aktuell muss noch jeder zweite Betrieb seine Strom- und Gasversorgung für 2022 vertraglich absichern. Das teilte der DIHK heute in einer Pressemeldung mit.

Die 2.000 Rückmeldungen aus allen Branchen zeigten demnach, dass bei Ausbruch des Krieges in der Ukraine die Hälfte der Betriebe ihre Strom- und Gasbeschaffung für das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen habe.

Nur 46 Prozent der Unternehmen hätten ihre Stromverträge für 2022 im Februar schon vollständig unter Dach und Fach. Jeder dritte Betrieb müsse noch mehr als 70 Prozent einkaufen. Bei der Gasbeschaffung zeige sich laut DIHK ein ähnliches Bild. Auch hier hätte nur die Hälfte der Unternehmen die Beschaffung für das Jahr 2022 bereits erledigt. Beim Blick auf die Terminmarktpreise für 2023 deute sich ebenfalls keine Entlastung an.

Die Situation erklärt sich nach Angaben des DIHK daraus, dass viele Unternehmen aufgrund der bereits extrem hohen Preise der vergangenen Monate abgewartet oder nur für kurze Zeiträume Lieferverträge abgeschlossen hätten.

In der Vergangenheit hatten den Angaben zufolge viele Betriebe einmal im Jahr für die kommenden zwölf Monate beschafft. „Das hat sich durch die aktuelle Preisspirale deutlich verändert“, wird der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks in der Pressemeldung zitiert. Damit stehe jedes zweite Unternehmen vor einer Kostenexplosion, die kaum aufzufangen sei. Ein mittleres Unternehmen aus der Glasindustrie habe 2015 im Schnitt noch 100.000 Euro pro Monat für seine Energieversorgung bezahlt. Aktuell sei nach den Worten von Dercks dafür der fünf- bis sechsfache Betrag fällig, manchmal sogar noch mehr.


DIHK sieht Sonderbelastungen für deutsche Industrie

Die aktuellen Preisexplosionen träfen nach Einschätzung des DIHK die deutschen Industriebetriebe stärker als ihre internationalen Wettbewerber: „Schon vor dem Angriff auf die Ukraine mussten die deutschen Mittelständler in Europa die höchsten Strompreise bezahlen“, so Dercks. „Außerdem bedeutet der nationale Zertifikatehandel für eine ganze Reihe von Unternehmen in Deutschland eine teure Sonderbelastung – und das schon gegenüber den EU-Wettbewerbern“.

Viele Firmen hätten daher in den vergangenen Monaten bereits nach Auswegen aus dieser Krise gesucht, heißt es von Seiten des DIHK weiter. Wo möglich, sei die Beschaffungsstrategie bereits verbessert worden. Knapp zwei Drittel der Unternehmen sähen daher inzwischen die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Mehr als 70 Prozent hätten dabei auch Interesse an sogenannten Green PPAs, also langfristigen Direktlieferverträgen für Grünstrom. Denn sie stabilisieren den Strompreis über mehrere Jahre.


Forderung nach kurz- und mittelfristigen Maßnahmen

„Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 ist ein wichtiges Signal. Sie kann aber nur einen Bruchteil der höheren Beschaffungskosten ausgleichen“, so DIHK-Vize Dercks. „Nötig sind jetzt kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen, etwa eine Absenkung der staatlichen Umlagen und der Stromsteuer zusammen mit zinsgünstigen KfW-Krediten oder sogar direkten Notfallzahlungen. Mittelfristig brauchen wir Lösungen, um die Höhe der Energiekosten in Deutschland auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu halten. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für grüne Direktverträge wäre ein wichtiger Schritt dorthin.“

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